Symptome
Die Multiple Sklerose kann viele verschiedene Beschwerden (Symptome) hervorrufen, die davon abhängen, an welchen Stellen des Zentralnervensystems die Entzündungen auftreten. Die MS wird auch als „Krankheit mit den tausend Gesichtern“ bezeichnet, weil das Symptombild jedes Betroffenen unterschiedlich ist. Im Anfangsstadium werden jedoch bestimmte Regionen des Gehirns und Rückenmarks bevorzugt befallen, deshalb treten bestimmte Beschwerdebilder häufiger auf. Im Verlauf der Erkrankung können sich bei jedem Patienten sowohl Symptome, als auch ihre Schwere und Dauer ändern. Durch die Ausbreitung der entzündlichen Läsionen im Gehirn und Rückenmark können sie auch vielfältiger werden.
Während einige dieser Symptome gut sichtbar sind, bleiben andere wie Müdigkeit, veränderte Sensibilität, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme oft für Andere unbemerkt. Es kann schwierig sein, diese Symptome und die Probleme, die sie verursachen, dem Partner, Freunden oder Arbeitskollegen zu beschreiben. Doch gerade diese Ausprägungen der MS können die Lebensqualität, die berufliche Situation und soziale Aktivitäten stark beeinträchtigen und der Betroffene trifft leider häufig auf Unverständnis seiner Umgebung.
Im Folgenden sind die wichtigsten Symptome in alphabetischer Reihenfolge angeführt:
Bewegungsstörungen
Bewegungsstörungen kommen bei ca. 90% der Betroffenen vor. Sie gehen hauptsächlich vom Rückenmark aus und können die Bein- und (seltener) Armmuskeln betreffen. Sind die Nerven stärker geschädigt, treten Schwere- und Schwächegefühle der Gliedmaßen bzw. Lähmungen auf.
Eine veränderte Muskelspannung und Steifigkeit, vor allem in den Beinmuskeln, wird als Spastik bezeichnet und ist ein häufiges Symptom der Multiplen Sklerose, das allerdings weniger am Beginn als im späteren Krankheitsverlauf auftritt. Eine schwere Spastik kann zu krampfartigen, schmerzhaften Muskelkontraktionen führen und beeinträchtig die Lebensqualität sehr.
Als Tremor bezeichnet die Fachsprache rhythmisches unwillkürliches Zittern bzw. Muskelzucken der Gliedmaßen. Dieser geht oft mit Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen einher. Diese Probleme haben ihre Ursache zumeist in Entzündungen im Kleinhirn, ebenso wie die Ataxie (Störung der Bewegungskoordination). Leider kommt es in vielen Fällen zu einer Kombination der verschiedenen Bewegungsstörungen.
Blasenstörungen
Blasenentleerungsstörungen sind ein oft auftretendes Symptom der Multiplen Sklerose. Es kann zu besonders häufigem oder sehr plötzlichem Harndrang und zu Harninkontinenz kommen. In vielen Fällen kann die Blase nur unvollständig geleert werden. Durch den Harnstau in der Blase kann es zu Harnwegsinfektionen kommen.
Darmstörungen
Zu den Darmproblemen gehört vor allem die Verstopfung (Obstipation) und seltener eine Stuhlinkontinenz.
Depression
MS-Patienten durchlaufen oft mehrere Phasen der psychischen Auseinandersetzung mit ihrer Erkrankung. Nach der Diagnosemitteilung folgt häufig eine Zeit der Verdrängung, erst nach Monaten oder Jahren kommt es zur Auseinandersetzung und Akzeptanz der Erkrankung. Dabei durchleben bis zu 70% der Betroffenen eine behandlungsbedürftige Depression.
Wie verschiedene Studien gezeigt haben, ist eine Interferonbehandlung nur selten wirklich Ursache für Depressionen, wie anfänglich angenommen worden war.
Fatigue (Müdigkeit)
Die Fatigue ist erst seit kurzem als häufiges und oft sehr unangenehmes Symptom der MS bekannt. Es handelt sich hierbei um eine oft stark behindernde verminderte körperliche Leistungsfähigkeit mit abnorm rascher Ermüdung und Erschöpfung. Sie lässt sich kaum voraussagen und ist unabhängig von der Art der Körperaktivität. Diese Müdigkeit ist eines der häufigsten (und störendsten) Symptome der MS. Auch eine unbehandelte Depression kann die Ursache für extreme Müdigkeit sein.
Hitzeempfindlichkeit
Die Hitzeempfindlichkeit, unter der sehr viele Betroffene leiden, führt sehr häufig zu vorübergehender Verschlechterung anderer Symptome, die an die Auswirkungen eines Schubes erinnern. Sobald die Körpertemperatur (Fieber) bzw. die Umgebungstemperatur (Hitze) wieder auf Normalwerte sinkt, vergehen diese Symptome. Dieses Phänomen wird auch als Uthoffphänomen (siehe unten) bezeichnet.
Kognitive Störungen (Gedächtnisstörungen)
Zu den kogniti ven Störungen bei MS gehören verminderte Aufmerksamkeit, Beeinträchtigungen des Kurzzeitgedächtnisses und Konzentrationsverlust. Im Laufe der Erkrankung klagt mindestens jeder zweite Patient über Gedächtnisstörungen.
Durch neuropsychologische Testung kann festgestellt werden, ob es sich tatsächlich um kognitive Probleme durch die MS handelt, oder ob eine Depression die Ursache der Konzentrations- und Gedächtnisstörung ist.
Schmerzen
Schmerzen sind ein Symptom, das im Zusammenhang mit der Multiplen Sklerose lange Zeit unerkannt war. Heute weiß man, dass es bei rund 50% der Betroffenen auftritt. Es handelt sich dabei vorwiegend um chronische, lang anhaltende Schmerzen. Dabei kommt es auch bei vielen Betroffen durch eine Schädigung des Rückenmarks zu einem Brennen, Kribbeln oder Ziehen in den Beinen. Zu den seltener vorkommenden, kurz auftretenden Schmerzattacken gehört z.B. die Trigeminusneuralgie, eine Entzündung eines Gesichtsnervs in der Wangenregion. Dabei handelt es sich um einen starken stechenden Schmerz, der nur ein paar Sekunden andauert, aber salvenhaft auftritt.
Sehstörungen
Sehstörungen sind häufig das erste Krankheitszeichen der MS. Sie können durch eine Sehnerventzündung (Optikusneuritis) hervorgerufen werden, liegt die Entzündung hinter dem Augapfel, spricht man von einer Retrobulbärneuritis. Plötzliches unscharfes Sehen, Schleier, bis zu einem akuten Sehverlust können die Folgen der Entzündung sein. Allerdings muss eine Optikusneuritis nicht zwangsläufig die Diagnose MS bedeuten, in ca. 30% aller Fälle kommt es zu keinem weiteren Schub.
Sehstörungen können aber auch durch eine Störung in der Koordination der Augenmuskeln auftreten, wodurch es im Sehzentrum zu Doppelbildern kommt. Dabei vorkommende unwillkürliche, rasche Augenbewegungen und Augenzittern wird als Nystagmus bezeichnet. Durch die Doppelbilder und den Nystagmus können unscharfes Sehen und Schwindel hervorgerufen werden.
Müdigkeit, erhöhte Temperatur (Uthoff-Phänomen), Stress und Infektionen können sich negativ auf das Sehrvermögen auswirken und das Doppelsehen verschlimmern. Durch die Behandlung der Ursachen bessert sich zumeist auch das Sehvermögen wieder.
Sensibilitätsstörungen
Taubheit und Kribbeln gehören zu den häufigsten Beschwerden der MS. Die Missempfindungen (Parästhesien) können sich vielfältig äußern, z.B. als Ameisenlaufen, „wie Watte zwischen den Fingern“, sowie als brennende Missempfindungen. Auch Kältegefühl, oder „als ob ein Gürtel um den Brustkorb gelegt wäre“ wird von den Patienten beschrieben.
Sexualitätsprobleme
Störungen der Sexualität sind im Rahmen der Multiplen Sklerose ein häufiges Problem, sowohl bei Männern als auch bei Frauen, das vielfältige Gründe haben kann. So haben im Anfangsstadium der MS auftretende Sexualprobleme, die zu einer Libidoverringerung führen, ihre Ursache häufig auch im psychosozialen Bereich (Überbelastung und Stress, Partnerschaftsprobleme). Auch die Einnahme von bestimmten Medikamenten kann als Nebenwirkung vermindertes sexuelles Verlangen oder Orgasmusprobleme nach sich ziehen.
Sowohl die seelische Belastung, MS zu haben, sowie die körperlichen Veränderungen aufgrund der neurologischen Schäden oder der Symptome (Blasen- und Darmstörungen, Spastik, Lähmungen) können die Sexualität der Betroffenen, aber auch deren Partner, stark beeinflussen.
Durch die Entzündungsherde im Gehirn und Rückenmark kann es im weiteren Verlauf der MS bei Männern zu Erektionsschwierigkeiten, Ejakulationsproblemen und Impotenz kommen, während Frauen unter Libidoverlust, verminderter Sensibilität und Orgasmusproblemen leiden können.
Sprechstörungen und Sprachstörungen
Zu den Sprechstörungen gehören verlangsamtes Sprechen, undeutliches Sprechen, Veränderungen im Sprachrhythmus sowie Schluckstörungen (Dysphagie), die durch Läsionen unter anderem im Kleinhirn und Hirnstamm hervorgerufen werden.
Sprachstörungen bei MS können auch die Folge von Gedächtnisstörungen sein (Wortfindungsstörungen, Probleme mit der Sprachflüssigkeit).